Die Geschichte des Japanischen Feudalstaates

Selten spiegeln sich in einer bestimmten Waffe so wie in der Entwicklung des japanischen Schwertes Aufstieg und Niedergang einer historischen Gesellschaftsformation - hier des Feudalismus - wieder. Geschichtliche Bedeutung und gesellschaftliche Wertung des japanischen Schwertes sind ursächlich mit fortgesetzten Kämpfen zur Sicherung der Hausmacht sowie der Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse der Feudalherren im japanischen Inselreich verbunden.
Nach dem Vorbild des benachbarten chinesischen Tang-Reiches entstand im 7.Jahrhundert in Japan ein streng zentralisierter Beamtenstaat, an dessen Spitze der Tenno, der Kaiser, stand. Seit Mitte des 6.Jahrhunderts herrschte das staatliche Eigentum an Grund und Boden vor. Gentiles Eigentum und bäuerlicher Privatbesitz an Grund und Boden waren aufgehoben, und dieser galt als nominelles Eigentum des Kaisers. Die Bewohner waren Empfänger von staatlichen Bodenanteilen. Die Bauern als größter Bevölkerungsteil erhielten Bodenanteile je Kopf der Familie. Sie wurden mit der Abgabe von Getreide und von Erzeugnissen des häuslichen Handwerks belegt. Die Beamten des Staates erhielten für die Dauer der Ausübung eines Amtes oder Ranges Amts- und Ranglandanteile. Der kleinste Landanteil eines Beamten war vierzigmal größer als das Kopfanteilland eines Bauern.
In der Blüte der Nara-Zeit (710-784) erlebte die stürmische wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes einen ersten Höhepunkt. Im Ergebnis andauernder Handels- und Kultureller Kontakte zu China bildete sich eine eigene Schrift mit chinesischen Schriftzeichen heraus, kam es zu regem künstlerischem Schaffen wie auch zur Verbreitung des Buddhismus neben der überlieferten Shinto-Religion. Schon in der frühen Heian-Zeit (784 bis 1192) waren aber die Schwächen der kaiserlichen Zentralgewalt erkennbar, die sich auf eine zahlreiche, eigene Ansprüche stellende Beamtenschaft stützen musste. Die Verlegung der Hauptstadt von Nara nach Heian-kyo, der <>, zeigte entscheidende Wandlungen an. Es kam verstärkt zur Abkehr von China, eine selbständige Kultur und Kunst entwickelte sich. Die kaiserliche Zentralregierung wurde durch unentbehrlich gewordene Minister und Beamte immer mehr eingeschränkt. Durch Einheirat in die kaiserliche Familie, Vormundschaften sowie Ausübung der Regierungsgewalt für unmündige kaiserliche Erben hatte sich die Familie der Fujiwara seit der Mitte des 10.Jahrhunderts die unbestrittene Vormachtstellung im Reich gesichert. Das alte Kaiserhaus sank zu völliger Bedeutungslosigkeit herab, während die mächtigen Fujiwara als Statthalter stets unmündig gehaltener Kaiser uneingeschränkte Familienpolitik betrieben. Sie brachten die meisten aller Landanteile an sich und wandelten diese in eigene Güter um. Sie wurden die größten Grundbesitzer im Lande. Zur gleichen Zeit bildete sich in den Provinzen der private Großgrundbesitz heraus und unterhöhlte das zentralisierte Landsystem. Mitte des 10. Jahrhunderts hatte sich der feudale Grundbesitz als wesentliche Eigentumsform durchgesetzt. In dem Maße, in dem die Zentralgewalt unter der Hausmachtpolitik der Fujiwara zerfiel, wurde das Emporkommen eines militärisch starken Landadels (Buke) begünstigt, der sich in Sitte und Brauch deutlich vom höfischen Adel (Kuge) unterschied. Ebenso prunkvoll und aufwendig wie hohl und machtlos gestaltete sich das Treiben am und um den kaiserlichen Hof. Literarische Zeltdokumente wie die <> vermitteln uns eine lebhafte Vorstellung vom aufgeblähten, unübersichtlichen Beamtenapparat, vom luxuriösen Leben bei Hofe sowie von den ständigen Intrigen um die Gunst der Mächtigen.
Sie zeugen aber auch von der hohen Bildung und Kultur aristokratischer Kreise. Dagegen lebten die ökonomisch abhängigen und gesellschaftlich unfreien Bauern in tiefer Armut, Leib und Leben wie auch die ärmliche Habe ständig bedroht. In dem Maße, wie der private Großgrundbesitz zunahm, nahm die Anzahl der abgabepflichtigen Höfe auf dem staatlich zugeteilten Land ab, wodurch sich die Einkünfte der Zentralgewalt verringerten. Regierungsapparat und Hofaristokratie reagierten hierauf mit Erhöhung der Abgaben. Die Bauern flüchteten von den Staatsländereien auf die Güter der Feudalherren, wo sie dem Zwang der Regierungsbeamten entgingen, um unter den der Feudalherren zu geraten. Zum Tell gingen sie auch, in Abteilungen organisiert, zum bewaffneten Kampf gegen ihre Ausbeuter über. Im 10. Jahrhundert wurden die Güter der Feudalherren von allen Abgabepflichten befreit. Außerdem erlangten sie administrative und gerichtliche Selbständigkeit. Zu Anfang des 11. Jahrhunderts gab es kaum noch eine Bauernschaft, die staatliches Anteilland bearbeitete. Für die Landadeligen wurden kriegerische Gefolgsleute unentbehrlich, um ihr Eigentum, ihre Güter und ihre Machtansprüche zu verteidigen und ausdehnen zu können. Aus ihnen ging der spätere Kriegeradel, die Gesellschaft der Samurai, hervor. Mit Hilfe ihrer stehenden Truppen, abseits vom kaiserlichen Hof, gelang es einzelnen Landadelsfamilien, in ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen ihre Herrschaftsbereiche beträchtlich zu vergrößern. Galt es, die Grenzen des Reiches gegen feindliche Überfälle, gegen fremde Eroberer zu schützen oder das Kaiserhaus gegen die Übergriffe der um die Vormacht kämpfenden Familien in der Hauptstadt zu verteidigen, so mussten sich der militärisch und politisch schwache Kaiser wie auch seine Statthalter der Macht und Kampfkraft von Landadelsgeschlechtern bedienen. So gelang es im 12. Jahrhundert den Familien der Taira (oder Hei) und der Minamoto (oder Gen), die Vorherrschaft der Fujiwara bei Hofe zu brechen und die kaiserliche Gunst auf sich zu ziehen.
Erbitterte Machtkämpfe um die Vorrangstellung im Reich kennzeichnen den Beginn und den Verlauf der Feudalzeit Japan. Die Taira wurden in der Entscheidungsschlacht an den Küsten des Meeres bei Dan-no-ura (1185) vernichtet. Die siegreichen Minamoto prägten der Kamakura Zeit (1192-1333) ihren Stempel auf. Im Jahre 1192 verlieh der Kaiser an Minamoto Yoritomo den Titel <> (Oberbefehlshaber) und übertrug ihm zugleich die oberste Militär- und Staatsgewalt. Er baute abseits vom kaiserlichen Hof das militärische Zentrum seines Stammlandes auf und gründete Kamakura als seine Hauptstadt. Sitz des machtlosen Japanischen Kaiserhauses blieb bis 1868 Heian-kyo, das spätere Kyoto.
Die Macht Minamoto Yoritomos beruhte auf der militärischen Organisation des Staates, in dem alle Schlüsselstellungen durch Samurai besetzt waren. Dieser bevorzugte Kriegerstand bildete nunmehr die gesellschaftliche Führungsschicht. Im Jahre 1232 erhielten die Gewohnheitsrechte des Kriegeradels durch Verordnungen eine rechtliche Basis. Grundlage der Macht waren die zu bedingungsloser Gefolgschaft verpflichteten Kriegertruppen (Samurai-dokoro). Als Vasallen waren sie mit einem der Lehnsherren (Daimyo) ökonomisch und gesellschaftlich fest verbunden, waren sie mit allen auf der Achtung der Blutsbande und Ahnentreue basierenden Rechten und Pflichten in den Familienverband ihres Herrn eingeschlossen.
Mut, Tapferkeit und Treue im Klasseninteresse der Lehnsherren wurden - ergänzt durch die buddhistischen Lehren von Selbstüberwindung und der Vergänglichkeit allen Seins - zur herrschenden, das gesamte Leben prägenden Ideologie der Samurai.
An der Spitze der Hierarchie der Samurai-Gesellschaft des feudalen Japans stand der Shogun. Seine Macht stützte sich auf die mit Gütern und Landanteilen ökonomisch untermauerte militärische Gefolgschaft.
Bald nach ihrer Machtübernahme starb die Familie der Minamoto aus. Die Staatsform des Shogunats blieb dessen ungeachtet mit unwesentlichen Unterbrechungen bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Das Shogunat hatte sich nicht als aufgepfropfte Regierungsform erwiesen, sondern als Ausdruck der feudalen Produktionsverhältnisse, die in einem Jahrhunderte währenden Prozess die Gentilstruktur der Japanischen Gesellschaft abgelöst hatten. Reste der Gentilordnung blieben in der Familienbindung der Samurai-Krieger und ihrer Pflicht zur Blutrache erhalten. Der Tenno (Kaiser) wurde als Gottheit auf Erden respektiert, ohne dass er ökonomisch oder politisch hätte wirksam werden können. Tatsächlich übten die Daimyo mit ihren ständig bereiten Kriegern die Macht aus. Der jeweils erfolgreichste Daimyo besaß als Shogun die staatspolitische Gewalt.
Die das Anglitz der japanischen Feudalzeit prägenden fortwährenden Kriege zwischen den einzelnen Feudalherren, die Kriege gegen das Kaiserhaus und die Kämpfe getrennter kaiserlicher Linien um die Rechtmäßigkeit ihrer Tennoschaft, die bis zur physischen Vernichtung geführt wurden, trugen die Samurai aus. Bedingungslos fochten die Gefolgsleute für die Interessen ihrer Herren. Die wirtschaftlichen Träger waren die rechtlosen Bauern, die mit ihren Abgaben die herrschende Klasse zu unterhalten und die Kriege zu bezahlen hatten. Sie mussten feste Steuern zum Unterhalt der Armeen entrichten. Wehranlagen und Burgen überzogen das ganze Land.Grausamer Höhepunkt der meist lokal begrenzten und unterschiedlich schweren Kämpfe wurde der sogenannte 100 Jährige Krieg I478-1573. In allen Teilen des Landes wurden blutige Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Familien geführt, die um die kurzfristige Machtstellung des Shogunats rangen. Hundert Jahre lang galten nicht staatliches Recht und Gesetz, sondern triumphierten Faustrecht, Gefolgstreue und Blutrache, wenn überlieferte Normen verraten oder verletzt wurden. Die «Heldenzeit» forderte ihre Opfer. Fast alle herrschenden Adelsgeschlechter wurden in den Kämpfen aufgerieben. Die Landwirtschaft lag am Boden. Handel und Gewerbe brachen zusammen. Die endlosen inneren Kriege hielten die kleinen Feudalherren unter den Samurai von der Bewirtschaftung ihrer eigenen Besitzungen ab, so das sie allmählich in die Lage von einfachen Kriegern gerieten, die von den Fürsten als ihren Lehnsherren einen Sold in Naturalform erhielten. Durch diese Annexion des kleinen privaten Herrenbesitzes kamen die Latifundienbesitzer in den uneingeschränkten Genuss sämtlicher von den Bauern zu entrichtenden Abgaben. Im 15.Jahrhundert häuften sich die Zusammenstöße der bäuerlichen sowie gewerbe- und handeltreibenden Bevölkerung mit den Feudalherren. Die Abgaben waren in der Zeit der Feudalfehden weiter heraufgesetzt und unerträgliche Bürde der arbeitenden Bevölkerung geworden. Es kam zu einer Reihe bewaffneter Erhebungen der Bauern, die als Fußsoldaten der Feudalherren militärische Erfahrungen und organisatorische Fähigkeiten erworben hatten. Hunger und erzwungener Verzicht auf alle menschlichen Werte bestimmten das Leben des leidgeprüften Volkes. Schöne Künste wurden ausschließlich am kaiserlichen Hof gepflegt und gefördert. Aber auch die höfische Gesellschaft musste mit leeren Kassen leben. Niemand kümmerte sich um die kaiserliche Residenz in Kyoto. Der Kaiser selbst sah sich veranlasst, durch den Verkauf selbstgefertigter Lieder und Gedichte das finanzielle Defizit mildern zu helfen. Einzig das Kriegshandwerk blühte, die Samurai erlebten ihre Glanzzeit. Da nur die großen Taten mächtiger Ritter galten, sind auch Literatur und Poesie davon geprägt. Emporgekommene Samurai-Krieger waren es schließlich, denen es gelang, in die höchsten Ämter aufzusteigen. Gegen Ende des 16.Jahrhunderts kämpften nur noch drei zu Macht und Reichtum gelangte Familien um die Vorherrschaft, die Oda, die Toyotomi und die Tokugawa. Erstmalig wurden jetzt auch von Spaniern und Portugiesen eingeführte Feuerwaffen eingesetzt. Nach Ausschaltung der Oda gelang es Toyotomi Hideyoshi, einem Bauernsohn aus dem Gefolge des Oda Nobunaga, als Feldherr die Macht zu ergreifen und in einem Freundschaftsbündnis mit den Tokugawa weite Teile des kriegsmüden Landes zu befrieden. Hideyoshi ließ sich vom Kaiser mit Ehren überhäufen. Wenngleich er wegen seiner niederen Herkunft den Titel eines Shogun nicht tragen durfte, übernahm er doch die obersten Staatsämter im erneut geeinigten Reich. Nach dem Tode Hideyoshis im Feldzug gegen Korea zerbrach I598 das Freundschaftsbündnis zur Tokugawa-Famille. Aus der Schlacht in der Sekigahara-Ebene (16oo) trug Tokugawa leyasu den endgültigen Sieg davon. Der Kaiser erkannte die erkaufte Abstammung der Tokugawa von dem berühmten Adelsgeschlecht der Minamoto an und verlieh leyasu den Titel des Shogun.
Durchgreifende innenpolitische Reformen sicherten den Tokugawa die höchsten Staatsämter und die unbestrittene Macht. leyasu gründete Edo, das heutige Tokyo, als seine Hauptstadt und errichtete einen stark zentralisierten Feudalstaat. Die kaiserliche Familie blieb unangetastet, wurde aber in ihren Machtbefugnissen auf die Belange des Hofzeremoniells und die Ausbildung der kaiserlichen Prinzen eingeschränkt, sie bekam eine Jahresrente. Besonders wichtig ist die Neuordnung des Lehnswesens. Die etwa 2600 Daimyo wurden in drei Klassen eingeteilt: Die mit dem Shogun verwandten Großgrundbesitzer, die Shimpan, erhielten die strategisch und wirtschaftlich wichtigsten Gebiete des Landes. Treue Anhänger des Shogun, die Fudai-Dalmyo, wurden mit den restlichen Gebieten belohnt. Die Ländereien unterworfener Landherren, der Tozama-Daimyo, wurden so vergeben, das die Hausmacht der Tokugawa optimal gewährleistet und die Tozama immer unter Aufsicht waren. Die Lehen unterlagen ständiger Kontrolle durch das Shogunat. Darüber hinaus mussten die Dalmyo ein Anwesen in der Hauptstadt haben, in dem sich jederzeit Familienmitglieder, vor allem die Frauen der Daimyo, aufzuhalten hatten. In regelmäßigem Rhythmus mussten die Daimyo dem Shogun Gefolgsleute zur Verfügung stellen, die sie weiter versorgen mussten. So stand dem Shogun ständig ein größeres Truppenkontingent zur Seite. In I3 Artikeln legte Tokugawa leyasu die Stellung und Aufgaben der Samurai, des Adels und seiner Gefolgsleute, nieder. Der Buddhismus wurde Staatsreligion. jeder war verpflichtet, sich bei einem buddhistischen Tempel registrieren zu lassen, wodurch das gesamte Volk überwacht werden konnte. Zunächst unterstützte leyasu den Überseehandel mit China, Siam und Indochina. Holländische, englische und portugiesische Schiffe legten in den Japanischen Häfen an. Nur kurzer Zeit nach ihrer Machtübernahme versuchten die Tokugawa jedoch, sich von jedwedem fremden Einfluss zu befreien. Sie untersagten im Jahre 1639 den Handel mit den Portugiesen. Die Handelsbeziehungen mit den Holländern und Chinesen wurden in Nagasaki auf ein Minimum beschränkt. Die Tokugawa versuchten, alle europäischen Einflüsse auszuschalten, das Christentum wurde streng verboten und strafrechtlich verfolgt. Damit begann die fast 250 Jahre währende Abschließungspolitik Japans.
Aus allen Verordnungen geht die unbedingte Vorrangstellung des Kriegerstandes, der Samurai, in der Gesellschaft der Tokugawa-Zeit (16oo-1868) hervor. Die Krieger genossen höchstes Ansehen. Die Bauern dagegen, die etwa 8o Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, bildeten die unterdrückteste Klasse. In den Gesetzen der Tokugawa-Zeit ist in Worte gefasst, was sich als Moral und eigene Weltanschauung der Krieger in den Jahrhunderten der kriegerischen Auseinandersetzungen herausgebildet hatte. Das gesamte ethische System der Samurai wurde später in dem Begriff «Bushido» («Weg des Kriegers») zusammengefasst. Bushido hieß Wahrhaftigkeit, Höflichkeit und Treue seinem Herrn gegenüber, einschließlich der Blutrache. Der «Weg des Kriegers» forderte die Verachtung materieller Güter und des Gelderwerbs durch Handel und Landwirtschaft. Er forderte ferner als Tugenden des Kriegers absolute Selbstbeherrschung, Mut und Tapferkeit in jeder Lebenslage, wie auch Aufgabe der Familie und des eigenen Lebens, wenn es die Gefolgschaft verlangte. Nur der selbstgegebene Tod durch feierlich vollzogenes Bauchaufschlitzen (Harakiri oder Seppuku) konnte den Samurai aus seiner gesellschaftlichen und moralischen Bindung befreien. Harakiri war seine Möglichkeit, ehrloser Gefangennahme zu entgehen, Schmach, Verleumdung oder Misserfolg zu sühnen, seinen Protest gegen ehrenrühriges Vorgehen seines Herrn zum Ausdruck zu bringen oder moralische Grundsätze zu verteidigen. Dieser einzig ehrenvolle Tod eines Samurai außerhalb des Schlachtfeldes wurde von leyasu als gesetzliche Strafvollzugsart nach richterlichem Urteil bestätigt und damit auch für Frauen sanktioniert.
Von den Frauen der Krieger erwartete man ebenso die Beherrschung aller Gefühle, die absolute Unterordnung des eigenen Lebens unter die Ideale ihres Standes sowie den Umgang mit Waffen. Die Ausbildung und die Erziehung der Kinder waren streng dem Ehrenkodex unterworfen. Die Schule der Knaben beschränkte sich auf das Erlernen kriegerischer Tugenden und höchster Waffenbeherrschung. Ihr Lehrbuch enthielt Geschichten legendärer Helden und großer Samurai-Vorbilder wie der 47 Ronin, herrenlos gewordener Samurai Krieger, die zu Idolen der Gefolgstreue geworden waren. Diese Krieger hatten, um den Tod ihres Herrn zu rächen, jahrelange Entbehrungen und Missachtungen auf sich genommen, bis sie Gelegenheit fanden, den am Tode ihres Herrn Schuldigen zu töten. Anschließend schieden sie nach richterlichem Urteil durch Harakiri aus dem Leben. Gesellschaftliche Umgangsformen wurden mit äußerster Sorgfalt trainiert. Mit Beginn der Pubertät trugen auch die Mädchen ständig einen Dolch in ihrer Kleidung.
Die spezifisch japanische Samurai-Ideologie, die bis in die Gegenwart Reaktionäre ihren Zwecken dienstbar machen, enthält wesentliche Züge der buddhistischen Sekte des Zen und shintoistischer Vorstellungen. Bereits im 12.Jahrhundert, als die Gesellschaft des Schwertadels (Buke) der höfischen Gesellschaft (Kuge) die Macht entriss, hatte die aus China kommende Lehre des Zen-Meisters Daruma in Japan Eingang gefunden. Darumas Vorbild bestand in seiner eisernen Selbstüberwindung. Er hatte, um zur inneren, geistigen Vollendung zu gelangen, neun Jahre lang in unbeweglicher geistiger Versenkung eine Wand seiner Behausung angestarrt. Unempfindlich gegen jeden körperlichen Schmerz, konnte ihn auch der Verlust einzelner Gliedmaßen nicht erschüttern. Solche Vorstellungen mischten sich mit den Überlieferungen des japanischen Shintoismus («Weg der Götter»). Sein hervorstechendes Charakteristikum besteht in der unbedingten Pflicht zur Verehrung der Ahnen einer Gemeinschaft, sei es der Familie, der Gemeinde oder des Staatsoberhauptes. Die Ahnenverehrung bildete die Grundlage des Lebens und des Bewusstseins der Kultgemeinschaft mit den Vorfahren. Unter den Herrschenden wird bis heute streng darauf geachtet, dass sich diese Pflicht- und Ehrbegriffe vor allem diejenigen zu eigen machen, die für sie Krieg nach außen und innen führen sollen. Im zweiten Weltkrieg hatte der japanische Militarismus mit den selbstmörderischen Kamikaze-Fliegern den Bushido ganz bewusst wiederbelebt, er setzte damit das derzeit letzte Mittel ein, die Interessen des Finanzkapitals um jeden Preis zu wahren. In der Ideologie der bürgerlichen Gesellschaft des modernen Japans leben diese Anschauungen noch heute fort.
Weder die absolutistische Staatsgewalt noch die strikte Absperrung des Landes hatten jedoch die antagonistische Entwicklung der streng getrennten Klassen und Schichten der feudalen Gesellschaftsordnung aufhalten können. In der Mitte des 19.Jahrhunderts trafen sich die innerhalb Japans vornehmlich von den mittleren Schichten der Samurai sowie Händlern und Kaufleuten vertretenen Bestrebungen- nach ökonomischen Veränderungen mit den massiver werdenden Forderungen der USA und Russlands nach Handelsprivilegien in Japan. Gegen den Willen des Tenno und seiner Parteigänger unterschrieb der regierende Shogun die Handelsverträge und sprengte nach mehr als 200 Jahren die selbstgewählte Isolation Japans. In sinnlosen Aktionen gegen die Anwesenheit fremder Händler und ausländischer Vertretungen versuchte die japanische Reaktion, die bürgerliche Revolution und den Fortschritt aufzuhalten. Unter dem Druck des Hofadels und der Parteigänger des Kaisers dankte der I5. Shogun Tokugawa Yoshinobu ab und übergab am 9. November 1867 dem Tenno Mutsuhlto die Regierungsgewalt. Trotz des Widerstandes im kaiserlichen Lager sah sich der Tenno gezwungen, die mit ausländischen Mächten abgeschlossenen Handelsverträge zu sanktionieren.
Politische und soziale Reformen, die der unvollendet gebliebenen bürgerlichen Revolution folgten, begleiteten das Wiedererstehen der kaiserlichen Regierungsgewalt nach Jahrhunderte langem Schattendasein. Der Kaiser siedelte nach Tokyo, dem Regierungszentrum der Tokugawa, über. Er gab seiner Regierung den Namen Meiji, «Glänzende» (Meiji-Restauration 1868-1912) Der neuen, bourgeoisen Ordnung Rechnung tragend, wurde auch die wirtschaftliche und militärische Sonderstellung der Samurai abgeschafft und der Kriegerstand aufgelöst. Im Jahre 1876 verbot ein kaiserliches Dekret zugleich jedes Tragen und die Herstellung von Schwertern.Viele Samurai gingen daraufhin in zivile Berufe. Andere nahmen militärische Ränge im neuen kaiserlichen Heer ein. Die Verfassung der konstitutionellen Monarchie von 1889 proklamierte die durchgreifende Modernisierung des japanischen Staates und ebnete einer außerordentlich forderten kapitalistischen Entwicklung den Weg.